2024
Giengen a. d. Brenz
Wirtschaftliches und ökologisches Mehrfamilienhaus mit Polymerfasern als alternative Bewehrung
In Giengen an der Brenz sollte auf zwei Baugrundstücken ein Mehrfamilienhaus entstehen. Die Kosten sollten deutlich unter die marktüblichen Preise gesenkt werden, ohne Abstriche bei den Anforderungen an das Gebäude zu machen. Hierzu mussten alle am Bau Beteiligten von Beginn an integriert werden. So wurde schon früh der Kontakt zu Sika hergestellt und die Verwendung von Polymerfasern als alternative Bewehrung untersucht. Mit dem teilweisen oder kompletten Verzicht der Stahlbewehrung in Bodenplatte, Kellerwänden und Decke konnten bei dem Projekt nicht nur Kosten, sondern auch CO2 und Bauzeit eingespart werden.
Bei dem Mehrfamilienhaus handelt es sich um zwei gespiegelte Doppelhaushälften mit je zwei Wohnungen. Das Gebäude verfügt über zwei Vollgeschosse, ein Dachgeschoss und ist vollunterkellert. Ziel war ein möglichst breiter Einsatz von Polymerfasern als Bewehrung. Die einzelnen Bauteile wurde vor Beginn der Aushubarbeiten durch einen von Sika beauftragten externen Statiker auf den Einsatz von Polymerfasern untersucht und bemessen. Hieraus ergab sich der Einsatz in Bodenplatte mit 3 kg/m³ Makrofasern SikaFiber® Force-50 anstelle einer doppellagigen Q524, und in den Kellerwänden mit 4 kg/m³ anstelle einer doppellagigen Q335 Mattenbewehrung. Darüber hinaus wurde von Smart Plan Bauingenieure GmbH der Einsatz der Kunststofffasern mit 3 kg/m³ zusätzlich zur unteren, tragenden Stahlbewehrungin der Decke UG geplant. Allen Außenwandbauteilen und der Bodenplatte wurden darüber hinaus 0,9 kg/m³ der MikrofasernSikaFiber® PPM-12 zugegeben.
Polymerfaserbewehrung im Keller mit WU-Beton und in der Decke
Sowohl die tragende Bodenplatte wie auch die äußeren Kellerwände sollten mit einer reinen Faserbewehrung und einem WU-Beton C25/30 ausgeführt werden. Die Bodenplatte wurde in einer Stärke von 25 cm unmittelbar auf eine 20 cm Dämmschicht betoniert. Diese war zuvor mit einer Folie belegt worden. Die Fläche wurde direkt nach der Betonagemit dem Zwischennachbehandlungsmittel Sika® Antisol®-621 behandelt und gemäß der Sika Verarbeitungsanleitungmaschinell geglättet. Das Bauteil wurde dann für 5 Tage mit Folienabdeckung einschließlich Wässern nachbehandelt. Aufgrund der außergewöhnlich guten Glättergebnisse konnte auf ein nachträgliches Abflammen der Fläche verzichtet werden, lediglich ein staubbindender Bodenanstrich wurde aufgebracht. Zwischen Bodenplatte und der 20 cm starken Außenwand sorgt ein beschichtetes Fugenblech für eine wasserdichte Arbeitsfuge. Lediglich zur Lagesicherung der Wände gegen Erddruck aus Verdichtungsarbeiten wurden Anschlusseisen und wenige Betonstahlstäbe gegen Kerbrissbildung an den Fensterecken eingebaut. Die Ausbildung der senkrechten Fugen erfolgte durch eine Bentonit Fugeneinlage und einen einreihigen Betonstahlanschluss. Die Wände wurden zwei Tage in der Schalung belassen und anschließend vier Tage mit Folienabdeckung und Bewässerung nachbehandelt. Die Decke des Untergeschosses wurde als Filigrandecke mit unterer Bewehrung ausgeführt, die Fasern dienen der Rissbeschränkung. Nachbearbeitung und Nachbehandlung erfolgten analog zur Bodenplatte.
Wirkungsweise von Polymerfasern
Beim Aushärtungsprozess des Betons entstehen Spannungen, welche zu diesem Zeitpunkt nicht vom Beton aufgenommen werden können. Auch eine Stahlbewehrung ist in dieser Phase unwirksam, da sie noch keinen Verbund zum Beton hat. Die Folge sind Schwindrisse und eine geschädigte Randzone des Betons. Ca. 40 % der später auftretenden zwangsinduzierten Risse sind auf diese Schwindrisse zurückzuführen. Diese können allerdings reduziert oder sogar vermieden werden durch Kunststofffasern, welche diese Gefügespannungen in der Betonmatrix verteilen. Die Fasern aus Polypropylen können aufgrund ihres geringen E-Moduls Spannungen bereits von Beginn an aufnehmen. Außerdem wirken sie wie ein internes Stützensystem im Beton und verhindern dessen Sedimentation. Dies verbessert wiederum das Wasserrückhaltevermögen und verringert die Wasserverdunstung um bis zu 25 %. Der verlangsamte Austrocknungsprozesszögert den Zeitpunkt der maximalen Zwangsspannungen aus Schwinden hinaus und verringert diese. Während Mikrofasern vor allem in den ersten sechs Stunden gegen das chemische Schwinden wirken, kommen die Makrofasern hauptsächlich nach dieser Phase, gegen das plastische Schwinden, zum Einsatz. Durch die Kombination beider Fasern wirken diese optimal zur Rissbegrenzung und -vermeidung. Bauteile können so im ungerissenen Zustand (Zustand I) bemessen werden und entsprechen dem Entwurfsgrundsatz „a“ der WU-Richtlinie. Die Polypropylen-Fasern verbessern nachweislich die Dichtigkeit sowie die Wassereindringtiefe.
Vorteile beim Einsatz von Polymerfasern
Der Einsatz von Polymerfasern bringt viele Vorteile gegenüber herkömmlicher Stahlbewehrung mit sich. Die Polymerfasern werden bereits auf der Gesteinskörnung oder alternativ in den Fahrmischer dem Beton hinzugegeben. DerBeton wird somit bereits bewehrt geliefert und Bewehrungsarbeiten auf der Baustelle entfallen. Dies ist nicht nur ein logistischer Vorteil, denn der Entfall der Stahlbewehrung bringt eine große Kostenersparnis mit sich. Diese ist nicht nur auf die geringeren Materialkosten, sondern vor alle auf den Zeitgewinn und eine damit verbundene Personalreduzierung zurückzuführen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist letzteres ein weiterer Vorteil.Nicht zu vernachlässigen ist auch die mit dem Entfall der Stahlbewehrung verbundene Einsparung an CO2. Außerdemwerden Schäden an der Dämmung oder an der Schalung vermieden, welche sonst oftmals durch Bewehrungsarbeiten auftreten. Auch später auftretende Korrosionsschäden sind ausgeschlossen, da Polypropylen nicht korrodiert. Durch die rissreduzierten oder rissfreien Bauteile wird eine insgesamt eine höhere Dauerhaftigkeit erreicht.
Wirtschaftliche Lösungen für eine nachhaltige Zukunft
Durch die Einbindung von Sika im Planungsprozess und den Einsatz der Fasern konnten nach Abzug der Faserkosten fürbeide Haushälften zusammen 19.200 € an Bewehrungskosten für das Untergeschoss eingespart werden. Durch den Verzicht von mehr als 12 Tonnen Stahlbewehrung konnten darüber hinaus allein beim Rohbau mehr als 4 Tonnen CO2 eingespart werden. Außerdem wurde der Bauablauf durch Wegfall der Bewehrungsarbeiten deutlich beschleunigt. Das Projekt zeigt deutlich auf, wie man mit einer klugen Planung und Offenheit gegenüber neuen Bauweisen den Bauprozess ökonomisch und ökologisch optimieren kann.
Bautafel
OBJEKT
Mehrfamilienhaus in Giengen an der Brenz
BAUZEITRAUM
September bis Dezember 2024 (Erdarbeiten, Entwässerungsarbeiten und Rohbau)
VERARBEITER
Heinrich Fetzer GmbH Bauunternehmung, Giengen
PLANUNG
Smart Plan Bauingenieure GmbH, Giengen